Wir setzen Cookies auf dieser Website ein. Diese Cookies speichern Informationen auf Ihrem Computer oder Ihrem mobilen Gerät, die Ihr Online-Erlebnis verbessern sollen. Cookies sind kleine Textdateien, die Ihnen ermöglichen schnell und gezielt zu navigieren. Cookies speichern Ihre Präferenzen und geben uns einen Einblick in die Nutzung unserer Website. Google Analytics-Cookies speichern auch Marketinginformationen. Mit dem Klick auf das Cookie akzeptieren Sie dieses. Durch speichern der Einstellungen stimmen Sie der Verwendung von Cookies in Übereinstimmung mit Ihren Präferenzen (sofern angegeben) durch uns zu.

Mehr Infos

Logo
blockHeaderEditIcon
Menu
blockHeaderEditIcon
teaser_karusell
blockHeaderEditIcon

    Leseprobe "Stärke und Mut"

von Frank Bergmann

Taschenbuch, 420 Seiten, ISBN: 978-3-945509-86-9

Inhaltsverzeichnis

Prolog
I. Die Zeit der Ächtung (1959 bis 1962)
II. Die Zeit des Vergessens (1963 bis 1965)
III. Die Zeit des Schweigens (1965 bis 1969)
IV. Die Zeit der Veränderungen (1970 bis 1979)
V. Die Zeit der Abschiede (1980 bis 1982)
Epilog

 

Prolog

Man braucht Stärke, um hart zu sein.

Man braucht Mut, um mitfühlend zu sein.

Man braucht Stärke, um die Fahne hochzuhalten.

Man braucht Mut, um die Fahne zu senken.

Man braucht Stärke, um zu gewinnen.

Man braucht Mut, um sich geschlagen zu geben.

Man braucht Stärke, um sich ganz sicher zu sein.

Man braucht Mut, um Zweifel zuzulassen.

Man braucht Stärke, um sich anzupassen.

Man braucht Mut, um anders zu sein.

Man braucht Stärke, um den Schmerz eines Freundes zu fühlen.

Man braucht Mut, um seinen eigenen Schmerz zu fühlen.

Man braucht Stärke, um seine Gefühle zu verbergen.

Man braucht Mut, sie zu zeigen.

Man braucht Stärke, um einen Übergriff auszuhalten.

Man braucht Mut, um einem Übergriff Einhalt zu gebieten.

Man braucht Stärke, um alleine dazustehen.

Man braucht Mut, um sich an jemanden anzulehnen.

Man braucht Stärke, um zu lieben.

Man braucht Mut, um sich lieben zu lassen.

Man braucht Stärke, um zu überleben.

Man braucht Mut, um zu leben.

(Text aus „Ich habe nach Dir gewonnen“ von Kristina Reftel)

I. Die Zeit der Ächtung (1959 bis 1962)

1959

 „Herzlichen Glückwunsch, Frau Bachmann“, sagte der kleine dicke Arzt zu Maria. „Sie sind schwanger.“ Er setzte sich nach der Untersuchung wieder hinter seinen schweren und klobigen Holzschreibtisch und strahlte Maria an. Sie war eine schlanke junge Frau von 21 Jahren. Ein graues Stirnband befreite ihr blasses Gesicht von ihren langen schwarzen Haaren, die in Wellen auf ihren Schultern lagen und ihre Lippen waren mit einem dunklen Rot geschminkt.

Sie sah den Arzt, der sie freundlich anlächelte, aus ihren klaren, grünen Augen schweigend an.

„In diesen schweren Zeiten nach dem Krieg brauchen wir stramme Jungs, die uns beim Wiederaufbau helfen“, fuhr er fort.

Es war Sommer 1959 und der Zweite Weltkrieg war schon 14 Jahre vorbei, aber die Spuren waren in Hamburg noch deutlich sichtbar. Noch längst konnten nicht alle Trümmer der vielen zerbombten Häuser beseitigt werden.

„Da wird sich der Gatte sicherlich freuen.“

„Ich bin nicht verheiratet“, sagte Maria und senkte den Kopf.

Der Arzt ließ die Mundwinkel sinken und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Er verschränkte seine Arme vor seiner Brust, presste seine Lippen zusammen und sah Maria ernst an.

„Sie sind nicht verheiratet?“

„Nein.“ Maria sah ihn noch immer mit gesenktem Kopf von unten an.

„Wissen Sie wenigstens, wer der Vater ist?“

Sie riss den Kopf hoch. „Natürlich weiß ich das – wo denken Sie hin? Was denken Sie von mir?“

Der Arzt schlug mit der flachen Hand auf seinen Tisch. „Ich denke, dass Sie in diesen Zeiten, wo wir unser Land aufbauen und alle Kräfte mobilisieren müssen, nichts anderes im Sinn haben, als einen Bastard in die Welt zu setzen. Sie sind eine erwachsene Frau und verantwortungslos. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Trümmerfrauen. Die haben sich für Ihresgleichen aufgeopfert. Wissen Sie, was Sie sind?“ Er funkelte sie an.

„Ich weiß, wie man mich nennt.“ Sie vergrub ihr Gesicht in ihre Hände und schluchzte. „Aber ich bin kein Flittchen.“

„Sehen Sie zu, dass Sie den Kerl heiraten, damit der Bastard wenigstens ehelich zur Welt kommt.“

„Ich weiß nicht, ob das geht. Paul ist erst 18.“

Der Arzt lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schüttelte den Kopf. „Auch noch ein Minderjähriger. Der ist ja selber noch ein Kind. So etwas hat es zu meiner Zeit nicht gegeben“, sagte er leise. „Wie heißt denn der Kerl?“

„Paul.“

„Das sagten Sie bereits. Und weiter?“

„Paul Kowalczyk“, antwortete sie leise.

„Kowalczyk.“ Der Arzt verdrehte die Augen. „Wo kommt der denn her?“

„Er ist direkt nach dem Krieg aus Polen vertrieben worden und mit seiner Familie nach Hamburg gekommen“, sagte Maria. „Aber er hat Arbeit“, schob sie hinterher.

Das Gesicht des Arztes wurde weicher. „Sie werden Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu bekommen, wenn Sie nicht verheiratet sind“, sagte er. „Das wissen Sie doch wohl, oder?“

Maria nickte. „Ja, ich weiß.“

„Sehen Sie zu, dass Sie heiraten. Sonst haben Sie einen sehr schweren Stand. Und Ihr Bastard auch. Noch haben Sie etwas Zeit, solange man nicht sieht, dass Sie in Umständen sind.“

Maria senkte den Blick und schluckte. Der Arzt musterte sie nachdenklich. „Na, nun schauen Sie mal nicht so betrübt. Das wird schon werden“, sagte er und erhob sich hinter seinem klobigen Schreibtisch.

Maria stand ebenfalls auf und wandte sich zum Gehen. „Vielen Dank, Herr Doktor“, flüsterte sie und verließ die Arztpraxis.

Wie in Trance ging sie an roten Backsteinhäusern vorbei, ohne sie zu registrieren. Den warmen sommerlichen Augustwind nahm sie nicht wahr und verlor sich in ihren Gedanken. Sie betrachtete ihre Füße, wie sie einen Schritt vor den anderen setzten. ‚Ich bin schwanger‘, dachte sie. ‚Ich bekomme ein Kind von einem Mann, den ich kaum kenne.‘

Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Mit der Gewissheit, dass sie schwanger war, spürte sie das Glück einer werdenden Mutter, aber auf der anderen Seite wusste sie nicht, wie Paul reagieren würde, wenn sie ihm von der Schwangerschaft erzählte.

‚Ich muss es ihm sagen‘, sagte sie sich. ‚Ich kann jetzt nicht mehr warten. Heute Abend, wenn er mich besuchen kommt, sage ich es ihm.‘

Plötzlich hörte Maria Kinderstimmen und sah sich um. Die Backsteinhäuser waren verschwunden und sie blickte über eine verwilderte Wiese. Hier standen keine Häuser und doch schienen hier irgendwo Kinder zu spielen. Die warme Sonne blendete sie und sie blinzelte in die Richtung, wo die Kinderstimmen herzukommen schienen und sie fühlte sich magisch von ihnen angezogen. Langsam ging sie auf die Wiese. Das hohe Gras kitzelte an ihren Waden und sie musste sich vorsehen, damit sie auf dem unebenen Boden nicht mit dem Fuß wegknickte. Sie strauchelte leicht und stapfte an wilden mannshohen Büschen und Brombeersträuchern vorbei, als sie sich den Kinderstimmen näherte. Sie gelangte auf eine kleine Lichtung und sah vier Kinder Fangen spielen. Es waren zwei Jungen und zwei Mädchen. Die Jungen trugen kurze Hosen und karierte Hemden, die Ärmel hochgekrempelt und die Mädchen Kleidchen und Kniestrümpfe.

Maria sah ihnen eine Weile beim Spielen zu. Als die Kinder sie erblickten, hielten sie inne und starrten sie an. Unwillkürlich legte Maria ihre Hand auf ihren Bauch, als wollte sie ihr ungeborenes Leben spüren und lächelte den Kindern zu. Der größere von den Jungen ging einen Schritt auf Maria zu und stemmte seine kleinen Fäuste in die Hüften.

„Was willst du hier?“, fragte er sie und versuchte, sie böse anzufunkeln.

„Ich – ich – ich weiß nicht“, stammelte sie. Noch immer hielt sie eine Hand auf ihren Bauch und sah den Jungen an. Er war schmutzig und roch streng. Auch die anderen Kinder waren schmutzig.

„Hast du Bauchweh?“, fragte eines der Mädchen.

„Nein. Wie kommst du darauf?“

„Weil du dir den Bauch hältst.“

„Ach so – nein.“ Maria ließ den Arm sinken.

„Hast du dich verlaufen?“, fragte das andere Mädchen.

„Nein. Ich habe euch gehört und war nur neugierig, was ihr hier tut.“

„Wir wohnen hier“, sagte der größere Junge.

„Hier?“, fragte Maria. „Ihr wohnt hier?“

„Ja, da drüben“, sagte ein Mädchen und deutete hinter sich. „Und da hinten wohnen noch mehr.“

Erst jetzt bemerkte Maria zwischen den Sträuchern eine kleine verfallene Hütte. Die Bretter waren notdürftig und schief zusammen genagelt, die Holztür hing in den Angeln. Neben dem Eingang stand eine Regentonne und um die Hütte herum rankten Dornensträucher. Maria ging einen Schritt auf die Hütte zu, als sich der größere Junge vor sie aufbaute. „Du hast hier nichts verloren“, schrie er sie an. Jetzt funkelte er tatsächlich böse und wirkte wild entschlossen, sein Heim vor der fremden Frau zu beschützen.

Maria zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. „Nein. Natürlich nicht“, sagte sie und blieb stehen.

Der Junge presste die Lippen fest aufeinander und zog die Augenbrauen herunter. Seine kleinen Fäuste hatte er fest zusammengeballt und seine Arme zitterten leicht.

„Wo sind eure Eltern?“, fragte sie den Jungen.

„Mutti ist nicht da“, sagte ein Mädchen.

„Und euer Vater?“

„Abgehauen“, rief der größere Junge. „Keine Ahnung, wo der Alte ist. Und jetzt bin ich hier der Mann im Haus. Und ich sage dir: Verschwinde.“

Maria sah den schmutzigen Jungen an und legte wieder unwillkürlich ihre Hand auf ihren Bauch. Sie nickte dem Jungen zu und drehte sich um. Sie eilte den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie achtete nicht mehr auf die Unebenheiten und die Dornensträucher. Sie drehte sich nicht mehr zu den Kindern um, die ihr schweigend hinterherblickten. Sie hatte Angst. Angst vor einer ungewissen Zukunft.

Maria lebte in einer Gartenkolonie in Hamburg-Alsterdorf in einer kleinen Holzhütte, die ihr Vater vor dem Krieg gebaut hatte. Sie bestand aus einem Raum mit einer kleinen Kammer, in die ein Plumpsklo eingebaut war, das mit Torf aufgefüllt wurde. In dem Wohn-Schlafbereich war ein Ofen, mit dem sie die Hütte beheizen und kochen konnte. Es gab keine Waschgelegenheit, und das Wasser musste sie aus einem Brunnen außerhalb des Gartens holen. Die Hütte war in einem sehr schlechten Zustand. Der Wind pfiff durch die Ritzen und Maria musste heizen, sobald die Tage etwas kühler wurden.

Bis vor gut einem Jahr lebte sie mit ihrer Mutter zusammen in der Hütte. Ihr Vater war nicht aus dem Krieg zurückgekehrt und es hatte ihrer Mutter viel Kraft gekostet, sich und Maria durchzubringen. Während des Krieges hatte sie etwas Gemüse angepflanzt, sodass sie die meiste Zeit nicht hungern mussten. Nach dem Krieg wurde sie jedoch immer schwermütiger und kraftloser. Meistens saß sie zusammengesunken in einem alten schäbigen Sessel in der Hütte und starrte die Wände an. Maria kümmerte und bemühte sich um ihre Mutter, aber sie reagierte kaum noch.

„Mama, was ist los mit dir?“, fragte sie sie immer wieder und immer verzweifelter, aber ihre Mutter sah sie nur aus leeren Augen an.

„Bitte lass mich dir doch helfen.“

Aber sie ließ sich nicht helfen. Eines Abends flüsterte sie Maria zu: „Ich kann nicht mehr. Ich kann das alles nicht mehr ertragen.“

„Mama, was denn?“, fragte Maria. „Was kannst du nicht mehr ertragen?“

„Diese Erinnerungen! Sie kommen immer wieder. Jede Nacht. Und sie quälen mich.“

„Welche Erinnerungen meinst du?“

„Aus dem Krieg.“

„Wir alle tragen doch die Erinnerungen aus dem Krieg. Ich habe meine Kindheit im Luftschutzkeller verbracht.“

„Ja, diese Erinnerungen quälen mich auch …“

„Ja, was denn noch? Mama, was denn noch?“, fragte Maria verzweifelt.

„Der Krieg war schon fast vorbei“, flüsterte ihre Mutter kaum hörbar, „als die Soldaten kamen und …“

Doch dann brach sie ab und schwieg. Maria strich ihr über den Arm und ihre Haare, fragte sie, was ihr passiert sei, aber sie schwieg und sah abwesend auf den Boden. Sie behielt die Vergewaltigungen durch die Soldaten für sich, so wie viele über ihre Kriegserlebnisse schwiegen. Einige Tage später war ihre Mutter eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht.

Als Maria vor einigen Monaten den smarten und charmanten Paul Kowalczyk kennengelernt hatte, fand sie Trost und eine starke Schulter, an der sie sich anlehnen konnte und sie verliebte sich Hals über Kopf in ihn. Sie konnte für eine Weile der Wirklichkeit entfliehen und erfahren, was es bedeutete, glücklich zu sein. Als aber ihre Monatsblutung aussetzte, wurde sie wieder von der Realität eingeholt.

‚Was, wenn ich schwanger bin‘, hatte sie sich gefragt. ‚Wie sollen wir ein Kind ernähren?‘ Und jetzt wurde aus ihrer Befürchtung Gewissheit.

Maria wartete ungeduldig vor ihrer Hütte auf Paul. Als sie ihn am Gartentor sah, ging sie ihm sofort entgegen, umarmte und küsste ihn.

„Ich muss dir was sagen! Lass uns einfach spazieren gehen“, sagte sie.

Paul sah sie überrascht an, drehte sich aber gehorsam um und ließ sie sich bei ihm einhaken. Paul wartete, was Maria ihm so Wichtiges mitzuteilen hatte und Maria suchte nach den passenden Worten.

Schweigend gingen sie an den anderen Gärten vorbei zur Alster, einem Nebenfluss der Elbe. Sie blieben an der Alster stehen und sahen einer Gruppe Enten zu. Paul sah ab und an verunsichert zu Maria.

„Eigentlich weiß ich gar nicht viel über dich“, sagte sie schließlich.

„Was willst du denn wissen?“, fragte er. „Du weißt, dass ich 18 Jahre alt bin, zwei Brüder habe und bei Blohm & Voss als Hafenarbeiter arbeite.“

„Na ja“, sagte sie verlegen. „Wo genau kommst du her? Wo hast du gelebt und wann seid ihr geflüchtet?“

„Tja.“ Paul holte tief Luft. „Wir haben an der Masuren-Seenplatte in Ostpreußen gelebt. Meine Brüder waren zwei und sechs und ich war vier Jahre alt, als meine Mutter mit uns vor den Russen geflüchtet ist.“

„Wann war das?“

„Januar 1945 mussten wir weg. Auf der einen Seite waren die Deutschen und von Osten kamen die Russen. Ich kann mich aber nicht mehr an die Flucht erinnern. Ich weiß nur, dass wir über die gefrorene Ostsee gelaufen sind.“ Er lächelte Maria von der Seite an. „Stell dir mal vor: Meine Mutter mit drei kleinen Kindern auf der Flucht. Viele Menschen sind dabei umgekommen. Und dann sind wir nach Hamburg gekommen. Das war schlimm. Wir wurden nicht gerade mit offenen Armen empfangen, weißt du? Niemand wollte uns haben.“

„Und wo war dein Vater?“

„Keine Ahnung“, sagte Paul. „Ich erinnere mich nicht an ihn. Er war wohl einmal zum Fronturlaub da. Dabei ist mein kleiner Bruder gezeugt worden. Dann ist er wieder an die Front und wir haben nie wieder etwas von ihm gehört. Keine Briefe. Nichts.“

„Du weißt nicht, ob er noch lebt?“, fragte Maria.

Paul zuckte mit den Schultern. „Er wurde für tot erklärt. Verschollen eben. Aber er könnte auch in Gefangenschaft geraten oder aber auch geflüchtet sein und sich irgendwo ein neues Leben aufgebaut haben. Ich weiß es nicht.“ Paul senkte den Blick. „Wahrscheinlich ist er gefallen“, sagte er leise. „Er muss tot sein.“

„Mein Vater ist auch gefallen“, sagte Maria, ohne Paul anzusehen. „In der Normandie.“

Langsam und schweigend gingen sie weiter.

„Liebst du mich?“, fragte sie plötzlich und blieb stehen.

Auch Paul blieb stehen und sah sie verblüfft an. „Ja, natürlich. Das weißt du doch.“

Sie blickte ihm kurz in die Augen und sah dann wieder den Enten zu, wie sie sich aufrichteten und mit den Flügeln schlugen, sodass das Wasser spritze.

„Möchtest du mit mir zusammen leben?“, fragte sie schließlich und sah ihn jetzt fest in die Augen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

Paul sah sie verwirrt an und er überlegte, was er sagen sollte. „Was meinst du?“, fragte er vorsichtig. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“

„Heiraten“, platzte es aus Maria heraus. „Ich meine – würdest du mich heiraten?“

Paul starrte sie an. ‚Seit wann machen Frauen Heiratsanträge?‘, fragte er sich. ‚Was geht hier vor?‘

„Ja natürlich, irgendwann“, sagte er verlegen.

„Was heißt denn ‚irgendwann‘?“

„Maria, Schatz! Ich bin noch keine 21. Ich kann nicht einfach heiraten.“

„Warum fragst du deine Mutter nicht?“ Maria spürte seine Verunsicherung. Und das ermutigte sie.

„Du weißt doch, dass wir kein Geld haben. Die paar Mark, die ich als Arbeiter bei Blohm & Voss verdiene, brauche ich für meine Mutter und meine Brüder. Wir haben zusammen kaum genug zum Leben. Ich kann jetzt nicht heiraten.“

Maria senkte den Kopf und dachte nach. Sie wusste, dass er recht hatte. „Wir bekommen ein Baby“, flüsterte sie nach einer Weile. Sie sah ihn ängstlich an. „Paul, ich bin schwanger.“

Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dann weichten seine Gesichtszüge auf und er lächelte sie an. „Aber – aber – das ist ja wunderbar“, rief er und strahlte er sie an. „Ich werde Papa.“

Er wollte sie in die Arme nehmen, aber sie wich einen Schritt zurück und sah ihn wütend an.„Du Dummkopf“, rief sie. „Weiß du überhaupt, was das bedeutet?“

„Ja“, sagte er unbeeindruckt. „Dass wir eine Familie werden.“

„Ja! Eine unverheiratete Frau mit einem minderjährigen Mann und einem unehelichen Kind.“

Paul ließ die Arme sinken und sah sie ernst an. „Du hast recht“, sagte er leise. „Das habe ich nicht bedacht.“

„Hast du eine Idee?“, fragte sie. „Weißt du, was wir tun können?“

Paul schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich Kinder liebe und immer von einer Familie mit vielen Kindern geträumt habe.“

Nach einem Moment des Schweigens flüsterte er: „Wir schaffen das, Maria. Ich weiß nicht wie, aber wir schaffen das.“

Doch als Paul zwei Wochen später den Einberufungsbefehl für den zwölfmonatigen Wehrdienst zum Oktober 1959 bekam, wurde ihnen bewusst, dass das Kind unehelich zur Welt kommen würde.

+++ +++ +++

Textprobe: Frank Bergmann

© 2017 Franzius Verlag GmbH

zur Startseite

zum Shop

Mininavi_links
blockHeaderEditIcon

Mininavigation_Mitte
blockHeaderEditIcon

Untermenu
blockHeaderEditIcon

Anmeldung zum Newsletter

social_media
blockHeaderEditIcon

Copyright
blockHeaderEditIcon

FRANZIUS Verlag             Bad Zwischenahn           info@franzius-verlag.de     

© Franzius Verlag GmbH 2015 - 2024. Cover, Bilder, Titel und Texte sind urheberrechtlich geschützt. -  Login -

Diese Webseite enthält Produktplatzierungen. Termine nur nach Absprache.

Benutzername:
User-Login
Ihr E-Mail
*